Radikale Zystektomie beim Harnblasenkarzinom – Fakten
Operationsname, Definition: Die radikale Zystektomie mit folgender
Harnableitung / Die radikale
Zystektomie (Entfernung der Harnblase) stellt beim Mann die Entfernung der
Harnblase mitsamt der Prostata und den anhängenden Samenblasen dar. Bei der
Frau gehört hierzu ebenfalls die Entfernung der Harnblase mit Gebärmutter
(Uterus), Eierstöcken (Ovarien) und ggf. einem Teil der Scheide (Vagina). Zu einer radikalen Zystektomie
gehört ebenfalls die regionale Entfernung von Lymphknoten. Die erweiterte
Ausdehnung des Feldes zur Lymphadenektomie wird nach wie vor kontrovers in
Studien diskutiert, beinhaltet aber in jedem Fall die Lymphknotenregion der
Fossa obturatoria und der externen Iliacalgefäße. Die Fossa obturatoria ist ein
Bereich im kleinen Becken des Körpers, in dem sich auch der Nervus opturatorius
und die A. und V. obturatoria befinden. Die Iliacalgefäße sind die das
Bein und das Becken versorgenden Blutgefäße.
Die radikale Zystektomie wird bei
Vorliegen eines Tumors durchgeführt, wobei eine einfache Zystektomie auch bei
Patienten mit Schrumpfblase nach Bestrahlung etc. durchgeführt werden kann.
Formen der Harnableitung nach
radikaler Zystektomie:
Von anatomischer Seite werden
derzeit drei unterschiedliche Formen zur Harnableitung nach radikaler
Zystektomie verwendet:
- die abdominelle Harnableitung (über die Bauchwand):
Hierzu gehört die Ureterokutaneostomie, das Ileum- oder Colonconduit und eine
Vielzahl kontinenter Pouches. - die urethrale Harnableitung (über die Harnröhre):
Hierbei werden verschiedene Formen der gastrointestinalen Pouches
(Harnreservoir aus Darmanteilen) an die Urethra (Harnröhre) angeschlossen, um
eine kontinente orthotope Harnableitung zu ermöglichen (Neoblase). - die rektosigmoiden Harnableitungen: Hier werden die
Harnleiter innerhalb des Körpers an einen Teil des Dickdarms (Sigmoid) bzw. Enddarms (Rektum) direkt
angeschlossen.
Hintergrundinformationen und Häufigkeit pro Jahr: Jedes Jahr erkranken nach Angaben des Robert
Koch-Institutes etwa 25.000 Menschen in Deutschland neu an einem Karzinom der
Harnblase. Männer sind im Vergleich zu Frauen etwa zweieinhalb Mal so häufig
betroffen. Das Harnblasenkarzinom stellt derzeit etwa 2% aller malignen
Erkrankungen dar. Es handelt sich hierbei um die vierthäufigste Tumorerkrankung
beim Mann und die zehnthäufigste Tumorerkrankung bei der Frau.
Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Männer bei 70
und für Frauen bei 73 Jahren. Bei bösartigen Neubildungen der Harnblase handelt
es sich fast immer um sogenannte Urothelkarzinome, die auch als
Transitionalzellkarzinome (Übergangszellkarzinome) bezeichnet werden. Häufig
lassen sich derartige Tumoren multifokal (gleichzeitig an verschiedenen
Stellen) nachweisen.
Deutlich seltener sind Plattenepithelkarzinome oder
Adenokarzinome der Harnblase. Im Allgemeinen
werden flache Wachstumsformen von sogenannten papillären
(warzenformigen) oder soliden Tumoren unterschieden.
In über 70% der Fälle bei Erstdiagnose handelt es sich
um ein Tumorstadium, bei welchem die Harnblasenmuskulatur nicht mit betroffen
ist und daher eine Entfernung der Blase nicht notwendig ist. Bei
muskelinvasiven Tumoren bzw. therapierefraktären, aggressiven,
nicht-muskelinvasiven Tumoren kann jedoch eine Entfernung der Harnblase
(radikale Zystektomie) indiziert sein.
Herkunft und Entwicklung – Geschichte der Zystektomie und Harnableitung: Der deutsche Chirurg
Bernhard Bardenheuer (1839 – 1913) führte im Jahre 1887 die erste vollständige
Blasenentfernung durch. Leider verstarb der Patient nach nur kurzer Zeit. Bis
Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts waren die Ergebnisse der totalen Zystektomie,
mit einer 5 Jahresüberlebensrate von ca. 9%, sehr entmutigend.
Whitemore und Marshall trugen im Jahr 1956 zu einer
Verbesserung der Operationsergebnisse mit Einführung der sog. radikalen Zystektomie bei. Neben der
Optimierung bestehender operativer Techniken, konnte auch die Einführung von
Antibiotika und eine verbesserte intensivmedizinische Versorgung zum späteren
Erfolg der radikalen Zystektomie beitragen.
Im Jahre 1878 gelang Smith die Harnleiterimplantation
in Darmanteile. Einen weiteren Meilenstein in der Geschichte der Harnableitung
stellte die Etablierung des
Ileum-Conduits dar. Lange Zeit war dieses inkontinente Verfahren die
Standardmethode zur Harnableitung nach Zystektomie und gelangte durch Bricker
1950 zu weiter überregionaler Verbreitung. Auch heute noch müssen sich die sog. kontinenten
Harnableitungen (Neoblase, Pouch) mit dem klassischen Ileumconduit bezüglich
ihrer Komplikationsrate messen. Als Goldstandard wurde das Verfahren durch die von
Camey 1958 eingeführte und bis heute weiterentwickelte
Ileumneoblase abgelöst.
Facharzt dieser Operation: Eine
radikale Zystektomie wird von einem erfahrenen Urologen durchgeführt.
Stationär / Ambulant: Die
radikale Zystektomie wird immer unter stationären Bedingungen durchgeführt,
wobei mit einem Krankenhausaufenthalt von ca. 14 bis 22 Tagen gerechnet werden
muss.
Kosten der Operation und
Kostenübernahme durch die Krankenkasse: Die
Kosten für eine Zystektomie sind abhängig von der gewählten Form der
Harnableitung. Anbei folgen zwei Beispiele: Eine Zystektomie mit Ileum-Conduit wird mit ca. 10.500 Euro; eine
Zystektomie mit Neoblase mit ca. 15.220 Euro in Rechnung
gestellt. Die
Kosten werden von der Krankenkasse übernommen.
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