Zusatzinformationen: Formen der Harnableitung
Ureterokutaneostomie
(Harnleiterhautfistel): Die simple Ausleitung der Harnleiter
über die
Bauchwand gilt als die einfachste Form der kutanen (über die Haut)
Harnableitung. Es handelt sich hier um ein schnelles und sicheres
Verfahren.
Daher wird dieses Verfahren in erster Linie bei schwer kranken Patienten
mit
entsprechenden Kontraindikationen für eine Verwendung von Darmanteilen
oder
hohem Operationsrisiko angewandt. Daher kommt sie in erster Linie bei
palliativer
Situation zum Einsatz. Technisch werden die Harnleiter (Ureter) entweder
gemeinsam oder einzeln über die Haut nach außen ausgeleitet. Auf Grund
des engen Harnleiterdurchmessers
werden Stenosierungen (Bildung von Verengungen) bei dieser Form der
Harnableitung
(öfter als bei Verwendung von Darmanteilen) beobachtet und bedürfen ggf.
der
Einlage von Harnleiterschienen über lange Zeit. Diese Harnleiterschienen
müssen
in regelmäßigen Intervallen gewechselt werden. Der Urin wird über einen
auf die Haut aufgeklebten Beutel aufgefangen
und muss in entsprechenden Intervallen geleert und ebenfalls gewechselt
werden.
Ileumconduit und Kolonkonduit: Das Ileumconduit gilt als eine etablierte Option der
Harnableitung, mit guten Ergebnissen seit mehr als 50 Jahren. Die
Indikation
wird bei älteren männlichen und weiblichen Patienten, bei simultaner
Urethrektomie (Entfernung der Harnröhre), nach vorderer Exenteration der
Frau,
sowie bei lokal weit fortgeschrittenem Tumor gestellt. Bei dieser Art
der Harnableitung wird ein ca. 12-15 cm
langes Stück Dünndarm aus dem Darmkontinuum ausgeschaltet, und beide
Harnleiter
werden auf einer Seite entweder gemeinsam oder einzeln in den
stillgelegten
Darmteil eingenäht. Der übrige Darmanteil wird wieder anastomosiert
(aneinander
genäht) und dient weiterhin der Stuhlpassage.
Das
distale (nach außen gewandte) Ende des Darms wird im Unterbauch durch
die Haut
ausgeleitet. Der ausgeschaltete Darmanteil dient nun als Verbindung
zwischen
Harnleiter und Haut. In den ersten zwei Wochen nach der Operation sorgen
Harnleiterschienen (Splints) dafür, dass die Darm- und Hautnähte gut
verheilen
können und zudem eine gute Harnausscheidung erreicht werden kann. Man
unterscheidet, je nach verwendetem Darmabschnitt, Ileumconduit
(Verwendung
eines Dünndarmanteils) und
Colonconduit
(Verwendung eines Dickdarmanteils).
Ein
Conduit muss ebenfalls mit einem auf die Haut geklebten Beutelsystem
versorgt
werden. Man bezeichnet diese Verfahren (Conduit und Ureterostoma)
deshalb auch
als nasse Stomata.
Die
Komplikationen des Conduits nehmen mit der Zeit linear zu. Stomastenose
(Verengung der Mündung) 2,8-19%, Ureterstenosen (Verengung des
Harnleiters)
14%, Störungen der Nierenfunktion 27%, fieberhafte Harnwegsinfekte 23%
und
Bildung von Harnsteinen 14%. Dennoch gilt dieses Verfahren als sicher
und
komplikationsarm.
Ureterosigmoideostomie: Die Ureterosigmoideostomie
bzw. Harnleiterdickdarmimplantation stellt die älteste Form der
Harnableitung
dar. Als Kontinenzmechanismus wird der anale Sphinkterapparat genutzt.
Durch
spezielle Verankerung des Harnleiters im Darmbereich wird das
Niederdrucksystem
des Harntraktes mit dem Hochdrucksystem des Dickdarms verbunden. Eine
Modifikation stellt die Detubularisierung des Sigmas dar. Durch die
damit
erreichte Reduktion der Druckverhältnisse im rektosigmoidalen Übergang
konnte
die Kontinenzrate deutlich verbessert werden. Die Indikationen für diese
Form
der Harnableitung werden in der westlichen Welt zunehmend seltener
gestellt.
Komplikationen bestehen in
der Bildung einer Enge zwischen Harnleiter und Dickdarm, wiederkehrenden
fieberhaften Harnwegsinfektionen (20%), metabolischer Azidose bei 30-60%
sowie
der Gefahr des Entstehens eines Adenokarzinoms an der Einmündungsstelle
des
implantierten Harnleiters in das Dickdarmsegment. Daher müssen 5 Jahre
nach der
Operation jährliche Darmspiegelungen erfolgen.
Orthotoper Blasenersatz: Darmersatzblasen mit Anschluss
an die Harnröhre kommen der natürlichen Harnblase, hinsichtlich der
Speicher-
aber auch Entleerungsfunktion, am nächsten und stellen derzeit ein weit
akzeptiertes Therapiekonzept dar. Bei der überwiegenden Zahl der Männer,
aber
auch der Frauen ist diese Form der Harnableitung mit sehr guten
funktionellen
Ergebnissen verbunden. Kontraindikationen sind der Tumorbefall der
Harnröhre,
entzündliche Darmerkrankungen sowie eine deutlich reduzierte
Nierenfunktion.
Die perioperative Mortalität liegt wie bei den anderen Formen der
Harnableitung
bei ca. 3%. Als Frühkomplikationen gelten eine verlängerte Darmatonie
bis hin
zum paralytischen Ileus (Darmverschluss) (5%). Bei lokal
fortgeschrittenen
Tumoren kann unter dem Aspekt der verbesserten Lebensqualität auch
durchaus
eine palliative Zystektomie mit othotopem Blasenersatz erwogen werden.
Unter einer Neoblase
versteht man das Schaffen eines Harnblasenersatzes aus Darmanteilen. Die
Neoblase übernimmt dabei die Speicherfunktion für den Urin, nachdem die
eigene
Blase entfernt wurde. Das Reservoir wird aus Darm nach der sogenannten
Detubularisierung gebildet. Hierbei wird der Dünndarm längs
aufgeschnitten und
je nach verwendetem Verfahren entweder
N-, S- oder W-förmig zu einer Darmplatte vernäht. Die Darmplatte wird
dann aufeinander geklappt und die Ränder ebenfalls mittels Fadenmaterial
vernäht. Danach werden die Harnleiter in die so geformte neue Blase
eingenäht.
Das Ziel dieses Verfahrens ist die Schaffung eines Speichermediums für
Urin
ohne großen Druckanstieg (Niederdrucksystem). Die Neoblase wird an die
Stelle
der ursprünglichen Harnblase gesetzt und dann mit der Harnröhre
verbunden. Der
Urin kann nun wie bisher über die Harnröhre abgegeben werden.
In der ersten Zeit nach der
Operation ist das Füllungsvolumen der
neuen Blase noch relativ eingeschränkt, so dass es noch zu Urinverlusten
bei
nur geringer Speicherkapazität der Blase kommt. Nach wenigen Monaten
sollte
aber das System so gut eingespielt sein, dass der Patient eine gute
Kontinenz
tagsüber und später auch nachts erreichen sollte.
Blasenersatz mit kontinentem Stoma: Das Prinzip dieser
Operationstechnik mit vielfältigen Variationen beruht auf der Anlage
eines
Niederdrucksystems, das über ein kontinentes (trockenes) Stoma durch
Einmalkatheterisierung regelmäßig entleert wird. Die dabei notwendige
Rekonstruktion des Kontinenzmechanismus ist der kritische Punkt dieser
Operation, da selbst eine geringe Leckage des Urins aus einem
kontinenten Stoma
ein inkontinentes Stoma werden lassen kann. Diese Form der kontinenten
Harnableitung erreicht in der Literatur ein Kontinenzrate von ca. 90%.
Die
Indikation für Ersatzblasen mit kontinentem Stoma ist heute durch die
kontinenten Harnableitungen etwas in den Hintergrund gedrängt worden,
hat aber
nach wie vor Bedeutung. Indikationen für diese Form der Harnableitung
bestehen
beispielsweise, wenn kein funktionsfähiger Schließmuskel der Harnröhre
existiert oder falls die Harnröhre auf Grund des Tumorbefalls mit
entfernt
werden muss.